Die vereinbarten EU-weiten Klimaziele machen es notwendig, dass sich auch das Bild auf den Dächern von Atzenbrugg in den nächsten Monaten und Jahren verändert. Und das ist aus unserer Sicht auch gut so. Die österreichischen Gemeinden müssen nämlich bis 2030 pro Einwohner 2 kWp installierte Photovoltaik (PV) Stromleistung vorweisen können. Für unsere Gemeinde ergibt sich somit fast eine Verzehnfachung der momentanen PV-Stromleistung von 219 Watt/Einwohner oder anders ausgedrückt: wir müssen eine Stromleistung von insgesamt rund 6500 kWp produzieren. Vielleicht auch mehr, wenn die Bevölkerungszahlen in unserer Gemeinde weiter so dahingaloppieren.
Es ist schon eine Weile her, dass wir in unserem ATZENBRUGG TRANSPARENT (Ausgabe 12/2020) über die Gemeinde Ober-Grafendorf berichteten und deren ambitioniertes Programm, primär PV-Anlagen auf den Dächern der öffentlichen Gebäude zu installieren und gleichzeitig die Installation von PV-Anlagen bei Privaten zu fördern. Damals hatte unsere ÖVP-Gemeindespitze keinen Sinn dafür, sondern träumte groß von mehreren Hektar großen PV-Anlagen auf der unverbauten grünen Wiese. Uns hingegen gefiel der Ansatz, sich erst einmal um den Ausbau der Photovoltaik auf bestehenden Dächern und versiegelten Flächen zu kümmern.
Nun aber hat sich das Blatt gewendet: In der letzten GR-Sitzung 2021 hat uns die ÖVP mit dem Tagesordnungspunkt „Beitritt zur Energiegenossenschaft Tullnerfeld“ (kurz EGT) überrumpelt. Müßig zu erwähnen, dass man uns im Vorfeld keine aussagekräftigen Unterlagen übermittelt hat, und ein Alternativangebot einer anderen Energiegemeinschaft konnte die ÖVP-Gemeindeführung bei dieser Ruckzuck-Aktion auch nicht vorlegen. Zudem setzte Bgm. Jilch am Tag der GR-Sitzung äußerst kurzfristig einen Termin für eine kurze Präsentation der Energiegenossenschaft an. So wollte man die GemeinderätInnen eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung im Schnelldurchlauf informieren und ihnen im Anschluss daran ein rasches JA zum EGT-Beitritt abringen. Aufgrund des prinzipiell positiven Grundgedankens einer Energiegemeinschaft und dieser Vorgehensweise und hat sich die SPÖ Fraktion bei diesem Punkt der Stimme enthalten.
Diese Hudelei und Geheimniskrämerei der ÖVP war äußerst unseriös und unnötig. GemeinderätInnen anderer Gemeinden wurden schon Wochen vorher über diese überregionale Energiegemeinschaft informiert. Nur Atzenbrugg hat wieder einmal vorliegende Informationen hintangehalten und bis zum letztmöglichen Moment gewartet damit „herauszurücken“. Aber die ÖVP musste sich wohl tummeln, denn die Gründung der EGT sollte schon 3 Tage nach unserer GR-Sitzung über die Bühne gehen, und unsere schwarze Gemeindeführung wollte sich wohl mögliche Kritik ersparen.
Trotz des grundsätzlich positiven Ansatzes für einen Beitritt in eine Energiegemeinschaft, gibt es im konkreten Fall einige Punkte zu berücksichtigen:
- Atzenbrugg hat entschieden der EGT beizutreten ohne sich eine der vielen Alternativen anzusehen. Die ÖVP-Nähe dieses Anbieters war hier offensichtlich ausschlaggebend. Warum dieser überstürzte Beitritt zur EGT?
- Inwiefern ist in Zeiten der galoppierten Energiepreise der von der EGT kalkulierte Strompreis von 14,943 ct/kWh haltbar?
- Die anfallenden Gebühren der Genossenschaftsmitglieder sind für jeden Genossenschaftsanteil gleich hoch, egal ob Gemeinde, Betrieb oder kleiner Privater.
- Die Eigentümer von Photovoltaikanlagen haben, wenn sie der EGT beitreten, keine Betriebs- und Verfügungsgewalt mehr über die PV-Anlagen auf ihrem Dach.
- Eine Energiegemeinschaft wie die EGT, die nur auf Photovoltaik setzt und nicht auch auf Alternativen wie Wind, Wasserkraft, Biomasse etc., hat den Nachteil, bei ungünstigen Wetterverhältnissen oder zuwenig Sonnenlicht wenig bis gar keinen Strom anbieten zu können, d.h. gerade dann, wenn ihn z.B. private Haushalte benötigen. Wo ist hier der Mehrnutzen der EGT?
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Titelfoto: Photovoltaik-Anlage auf dem Schulgebäude, © Gemeinde Ober-Grafendorf